The Deer and the Dragon: Viel Spice und doch ein fades Geschmackserlebnis


Written by Ginny
The Deer and the Dragon: Viel Spice und doch ein fades Geschmackserlebnis


Written by Ginny
Kleiner Hinweis vorab:
Bevor ich The Deer and the Dragon gelesen habe, wusste ich nicht, dass Autorin Piper CJ bereits zuvor durch problematische Inhalte aufgefallen ist. Ihre frühere Buchreihe wurde vielfach als ableistisch kritisiert – ich selbst habe diese nicht gelesen und war mit der Debatte nicht vertraut. Daher konnte ich mir dazu kein eigenes Urteil bilden. Diese Rezension bezieht sich ausschließlich auf The Deer and the Dragon.
Direkt zu Beginn war ich mir nicht sicher, was mich da eigentlich erwartet – denn The Deer and the Dragon liest sich zunächst wie ein reiner Erotikroman. Es wird sehr spicy, Handlung scheint erst einmal Nebensache zu sein. Die ersten Hundert Seiten wusste ich überhaupt nicht, wo ich da hineingeworfen wurde. 😄 Das ist grundsätzlich vollkommen in Ordnung für Leser*innen, die genau das suchen. Ich persönlich habe mich einfach überraschen lassen, ob sich dahinter noch eine tiefere Geschichte verbirgt. Kurze Antwort: Kaum.
Worum geht's?
Marlow hat ihr Leben lang geglaubt, dass etwas mit ihr nicht stimmt – oder schlimmer noch: dass sie sich alles nur einbildet. Seit ihrer Kindheit sieht sie ein düsteres Wesen, das sie begleitet und mit dem sie mit zunehmendem Alter eine Beziehung führt. Deshalb führt die erfolgreiche Autorin einer epischen Fantasy-Saga ein zurückgezogenes Leben. Erst als eine Fae aus dem nordischen Pantheon auftaucht, erfährt sie die Wahrheit: Sie hat das Bett mit einem Fürsten der Hölle geteilt – und der ist nun verschwunden.
Plötzlich findet sich Marlow mitten in einem uralten Machtkampf zwischen Göttern, Fae und Dämonen wieder. Und ausgerechnet sie soll entscheiden, wie dieser Krieg endet – mit einem Glauben, den sie längst verloren glaubte.
Hinweis: Der Verlag hat mir das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Das beeinflusst in keinster Weise meine Meinung oder Gefühle zum Gelesenen. Alles, was ich schreibe, entspricht meinem persönlichen Empfinden.
Glorifizierung statt Graustufen
Ein zentrales Element des Romans ist die Darstellung von Sexarbeit, allerdings in einer Form, die mir sehr einseitig und verklärend erschien. Es wird ausschließlich über (Luxus-)Escorts gesprochen, selbstbestimmt, begehrt, gut bezahlt. Dass es auch andere Realitäten gibt, wird fast gänzlich ausgeblendet. Gerade für jüngere Leser*innen kann das ein sehr illusionsbehaftetes Bild erzeugen und das hinterlässt, zumindest bei mir, einen faden Beigeschmack.
Gute Idee – mäßige Umsetzung
Dabei hatte mich die Inhaltsangabe eigentlich neugierig gemacht. Die Geschichte um Marlow, die schon seit ihrer Kindheit einen nur für sie sichtbaren Begleiter wahrnimmt, hätte viel Potential gehabt. Ihre Vergangenheit ist geprägt von religiösem Fanatismus und der brutalen Ablehnung durch ihre Mutter, die zeitweise zu drastischen Mitteln greift, um Marlow zu bekehren. Das fand ich an sich super spannend und war für mich das Beste an der Geschichte. Allerdings lässt die Umsetzung zu wünschen übrig, da ein Großteil der der Story einfach innere Monologe von Marlow sind, die sich auch noch ständig wiederholen; man bekommt viel erzählt, ohne es zu erleben. Immer wieder kreisen Marlows Gedanken um dieselben Unsicherheiten, dieselben Fragen – und irgendwann ermüdet das einfach. Trotz einiger interessanter Themen, etwa der Kritik an religiösem Extremismus, fehlt es an Tiefe und sprachlicher Finesse.


Zäh wie ein altes Wrighley’s Extra
Was der Story wirklich fehlt, ist Spannung. Es gibt zwar vereinzelt Action, aber der Fokus liegt auf Marlows Identitätsfindung und ihren übernatürlichen Verbindungen. Leider zieht sich das alles extrem – Marlow reagiert auf jede Wendung mit übertriebener Überraschung, und jede Entwicklung dauert gefühlt ewig. Der große Konflikt, der eigentlich viel Potential bietet, versickert im Nichts. Unterbrochen wird die Langeweile dann nur durch die spicy Szenen.
Liebesgeschichte ohne Gefühl
Auch die Liebesgeschichte konnte mich nicht überzeugen. Sie ist zwar zentrales Element, aber man bekommt kaum echte emotionale Entwicklung mit – wenig überraschend, da der männliche Love Interest für ca. 90 % der Handlung nicht anwesend ist und nur über ihn gesprochen wird. Die Nebenfiguren fand ich interessanter, auch wenn sie mir teilweise leid taten, weil sie sich ständig mit Marlows innerem Chaos herumschlagen müssen.
Was positiv hängen bleibt
Das einzige wirklich Positive, das ich dem Buch abgewinnen konnte, war die queere Repräsentation. Alle zentralen Figuren sind queer, was auf eine angenehme Selbstverständlichkeit trifft. Das wirkte natürlich und wertschätzend – in einem ansonsten eher schwachen Buch ein Lichtblick.
Fazit
The Deer and the Dragon bietet ein paar spannende Ideen – besonders die Verbindung von Religion und Fantasy hätte richtig gut werden können. 🥲 Doch leider verpufft das Potenzial in einer schleppenden Handlung, blassen Figuren und einem überladenen, repetitiven Stil. Wer auf viel Spice aus ist, wird hier vielleicht fündig. Wer aber auf eine dichte Handlung, nachvollziehbare Charaktere und echte emotionale Tiefe hofft, sollte die Finger davon lassen.
P. S.
Ich habe bis zum Schluss keine Ahnung, warum das Buch The Deer and the Dragon heißt. Es kommen weder ein Reh noch ein Drache vor, es wird nicht erklärt – keine Metapher, kein Symbol, kein Hinweis. Auch online konnte ich dazu nichts finden. 😂 Falls jemand die Auflösung kennt: Ich bin neugierig. Wirklich.
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